„b … fragt“ – Dritte Runde des VFS-Zeitzeugen-Projektes

„b … fragt“ – im Studio die Trickfilmerin Elke Bräuniger und Gastgeber Burkhard Schmidtke (Quelle: VFS/K. Bräuniger)Dresden, 20.08.2015
Im Februar dieses Jahres haben einige Mitglieder der Regionalgruppe Dresden des VFS ein Projekt gestartet, in dessen Mittelpunkt Interviews mit Zeitzeugen stehen. Elke Bräuniger, früher Animatorin und Regisseurin im DEFA-Studio für Trickfilme in Dresden, war am vergangenen Sonntag der dritte Gast im VFS-Studio.

 

Von Holger Brandt

 

Sonntag, 16. August, kurz vor 16.15 Uhr: Gespannte Ruhe im Studio der VFS-Regionalgruppe Dresden. Im Scheinwerferlicht vor den Kameras sitzen Burkhard Schmidtke und sein heutiger Gast, die frühere Trickfilmerin Elke Bräuniger. In wenigen Augenblicken beginnt hier die dritte Ausgabe der Interview-Reihe „b … fragt“. Kameras, Aufnahmeleitung, Bild, Ton, Regie – die Konzentration aller Beteiligten ist nun auf die kommenden 45 Minuten gerichtet. Dann ist es genau 16.15 Uhr: Der Vorspann läuft, ein letztes Räuspern der Interview-Partner, dann bekommt Kamera 2 das Rotlicht, auf dem Monitor im Studio ist die Großaufnahme der Trickfilm-Regisseurin zu sehen, Burkhard Schmidtke stellt sie den Zuschauern vor, die Aufzeichnung läuft.

In der folgenden Dreiviertelstunde sprechen die beiden über den beruflichen Werdegang von Elke Bräuniger, die vielen Stationen im Lebensweg der Frau, die erst mit Anfang vierzig zur DEFA nach Dresden und dort ihren Traumberuf als Animatorin, Gestalterin und zuletzt auch Regisseurin fand. Sie sprechen über Höhepunkte der Arbeit, Schwierigkeiten, eigene Filme, Arbeitsbedingungen und Kollegen – und natürlich über „Elise auf der Wiese“, eine Trickfilm-Serie, die die Regisseurin 1990/91 für den Deutschen Fernsehfunk (DFF), das vormalige Fernsehen der DDR, drehte. Geplant waren eigentlich sieben Teile, realisiert wurden dann aber nur drei, bevor die DEFA in Dresden und der DFF in Berlin-Adlershof fast zur selben Zeit abgewickelt wurden. Dazu zeigt Elke Bräuniger Materialen aus der Filmproduktion, erklärt Hilfsmittel und Tricks im Trickfilm und auch zwei kurze Filmausschnitte laufen. Zur Sprache kommen dann auch das jähe Ende des Studios kurz nach der politischen Wende und das „tiefe Loch“ in das viele der DEFA-Mitarbeiter danach fielen.

 

Elke Bräuniger erklärt die Arbeit mit Flachfiguren für einen Trickfilm (Quelle: VFS/K. Bräuniger)

„Live-On-Tape“ – alles wie bei einer Fernseh-Direktsendung

Die Zeit vergeht wie im Fluge. Alles läuft „wie am Schnürchen“ und überdies so, wie bei einer Direktsendung im Fernsehen, nur dass hier nicht „live“ ausgestrahlt, sondern „lediglich“ aufgezeichnet wird. „Live-On-Tape“ nennen die Fachleute dieses – für den nichtkommerziellen Sektor nicht ganz alltägliche – Verfahren. Alle im Studio sind hochkonzentriert. Nichts soll schief gehen, denn „live ist live“ und der kleinste Fehler käme unweigerlich mit aufs Band und bliebe für alle Zeit im Archiv der Nachwelt erhalten. Fast nichts unterscheidet diese Produktion vom „richtigen“ Fernsehen – vom Ablauf bis zum Ton, von den Kommandos aus der Regie an die Kameras bis hin zur Beleuchtung. Die ist übrigens nicht ganz ohne: Mehr als 12000 Watt leuchten hier von der Decke. Draußen sind es heute um die 30 Grad im Schatten, im Studio vor den Scheinwerfern sind es ganz bestimmt noch ein paar Grad mehr. Da kommen die kurzen Einspielfilme gerade recht, sie geben den Gesprächspartnern Gelegenheit, etwas den Schweiß von der Stirn zu wischen und einen Schluck zu trinken.

Dann zeigt die Studiouhr kurz vor fünf – die Gespächszeit geht zu Ende. Gastgeber Schmidtke leitet zur Verabschiedung über. Er bedankt sich bei Elke Bräuniger, bittet um ein Autogramm der Regisseurin und überreicht einen Strauß Sommerblumen, so wie Frau Bräuniger ihn mag. Danach verabschiedet er sich bei den Zuschauern, weist noch kurz auf die nächste „b … fragt“-Ausgabe im Oktober hin und schon läuft der Abspann. Kurz nach 17.00 Uhr ist die Aufzeichnung vorüber, die Lichter gehen aus, alle sind ein wenig erschöpft, aber im Großen und Ganzen zufrieden, einer der Kameraleute macht die berühmte Daumen-Hoch-Geste.

17 Sekunden ist die Aufzeichnung unter dem Strich zu lang, Burkhard Schmidtke ärgert sich darüber ein wenig: „Planzeiten nicht einzuhalten, ist eigentlich ein Zeichen von mangelndem Können – Gottschalk hin, ZDF her“, sagt er. Auch wenn später auf dem Bildschirm vieles locker und leicht aussieht, Können und vor allem Vorbereitung sind hier das A und O: „Herkommen, hinsetzen und losreden – das geht nicht. Jedem Interview gehen gründliche Vorgespräche, Recherchen und Materialsammlungen voraus. Außerdem wird vor der Aufzeichnung in der Regel anderthalb bis zwei Stunden eingerichtet, ausgeleuchtet und geprobt. Schließlich soll unser Gespräch zum Schluss aussehen, wie gekonnt und nicht nur wie gewollt”, so Schmidtke. Und sonst? Der Bildregisseur kommt aus dem Regieraum, lächelt erleichert und sagt: „Wir haben schon schlimmeres abgeliefert.” Das ist ironisch gemeint und bedeutet, im Grunde ist alles bestens gelaufen. Doch zuviel Eigenlob will hier keiner hören, der Zuschauer soll entscheiden. Und der bekommt das Resultat erst in einigen Wochen oder Monaten zu sehen – als Umlauf-DVD des VFS. So gibt es ihn dann eben doch, den großen Unterschied zum „richtigen Fernsehen“.

 

Blumen für den Gast am Ende der Aufzeichnung (Quelle: VFS/K. Bräuniger)

Mediathek zum Ende des Jahres geplant

Doch am Verbreitungsweg soll sich in nächster Zeit noch etwas ändern: Bis zum Jahresende will der VFS seinen Internetauftritt überarbeiten und mit einer eigenen Mediathek an den Start gehen. „b … fragt“ könnte dann eine feste Rubrik in dieser Mediathek werden.

Der VFS in Dresden beschreitet mit diesem Projekt aber auch in anderer Hinsicht neue Wege: „Wir haben uns bisher fast ausschließlich mit dem Thema Film beschäftigt. Doch die Gegebenheiten haben sich verändert – Stichwort ,Bürgerfernsehen‘ und ,Offene Kanäle‘. Grund für uns, auch mal das Medium Fernsehen auszuprobieren, zumal Fernsehsendungen nach ganz anderen Grundsätzen gestaltet werden und so auch ganz andere Möglichkeiten bieten“, erklärt Burkhard Schmidtke.

Dabei geht er auch auf das „Live-On-Tape“-Verfahren und den vermeintlich hohen Aufwand ein: „Wir haben nachgerechnet: Von der reinen Arbeitsstundenanzahl her ist der Aufwand so nicht größer, sondern eher geringer, als bei anderen Projekten mit vergleichbarer Nutzlänge. Nur dass hier eben nicht wenige Leute an vielen Tagen Zeit investieren müssen, sondern sich viele Leute an einem Tag zusammenfinden. Doch der wichtigste Grund, so zu produzieren, ist meines Erachtens, dass durch dieses durchgehende Gespräch eine natürliche, fast ungezwungene Gesprächsatmosphäre erhalten bleibt. Das ist mir sehr wichtig. Denn selbst die Art, wie jemand in einem Gespräch auftritt, auf Frage und Gegenrede reagiert, zeigt viel von der Person, verleiht ihr und dem, was sie sagt, eine ganz andere Authentizität“, so Schmidtke und weiter: „Ein weiterer Vorteil ist: Wenn die Aufzeichnung im Kasten ist, ist sie fertig. Kein Nachbearbeiten, Schneiden, Mischen mehr. Das ist gerade für uns als nichtkommerzielle Filmer ein großes Plus.“

Und welche Gäste sind als nächstes geplant? „Das zu verraten, wäre ein bisschen wie das Reden über die berühmten ungelegten Eier“, sagt Burkhard Schmidtke mit einem kleinen Lächeln. „Geplant sind aber sechs Ausgaben im Jahr, eine alle zwei Monate.“ Bisherige Gäste waren übrigens Rainer Schubert und Dieter Fickert, beide vom VFS. Ein weiterer Gast habe im April kurzfristig abgesagt, ob das Gespräch nachgeholt werden kann, stehe aus Gründen der Gesundheit des Gastes vollkommen in Frage. „Wir wollen uns beeilen“, so Schmidtke, „solange uns Zeitzeugen noch Rede und Antwort stehen können.“

Apropos „b … fragt“ – was bedeutet dieser Titel eigentlich? „Wir haben einige Zeit über den Titel für unser Projekt nachgedacht“, erklärt uns der Gastgeber. „Letztlich haben wir uns dann für dieses kleine Wortspiel entschieden: Einerseits werden die Gäste ja ,befragt‘, andererseits spielt es ein wenig mit meinem Vornamen so, dass Burkhard, abgekürzt B., fragt.“