Waiblingen 2012: Bundesfilmfestivals Trick und Fantex

Waiblingen, 16.04.2012.
Einmal im Jahr ein Mekka für Trickfilmer: Das Jakob-Andreä-Haus in Waiblingen (Foto: VFS/S. Bräuniger) Einmal im Jahr wird Wailblingen bei Stuttgart zu einem Mekka für Freunde des nichtkommerziellen Trick-, Animations-, Fantasie- und Experimentalfilms. Am 14. April gingen hier im Jakob-Andreä-Haus die diesjährigen BDFA-Bundeswettbewerbe „Trick- und Animationsfilm“ und „Fantasie- und Experimentalfilm“ über die Leinwand. Unser Autor Sebastian Bräuniger war vor Ort und hat sich die Wettbewerbe angesehen.

 

Von Sebastian Bräuniger

TRICK – Bundesfilmfestival Trick- und Animationsfilm

Die Gemeinsamkeit der Filme auf diesem Festival ist eine technische, die „Beseelung“ unbelebten Materials. Es gibt mittlerweile verblüffend viele Möglichkeiten, künstliche Bewegung auf die Leinwand zu bringen. So erwartet man auf einem Trickfilmwettbewerb zu Recht eine bunte Palette an Ideen und Geschichten.

2012 in Waiblingen wurde diese Hoffnung nur zum Teil erfüllt. Das liegt bei vielen Filmen vor allem am fehlenden Standpunkt des Autors, oder – um es mal weniger hochtrabend auszudrücken – meiner Ratlosigkeit bei der Frage „Warum hat er diesen Film eigentlich gedreht?“ Da werden große Themen angerissen und wichtige Fragen der Menschheit in den Raum gestellt – nur um die Zuschauer dann mit einem „Denk mal drüber nach“ damit allein zu lassen ...

Zu dieser Kategorie gehören Filme wie „Vitulus“, der den Tanz ums goldene Kalb darstellte (aber nicht mehr) oder „Fett – Mager“, der zeigte, daß es bei Jugendlichen Probleme mit Fett- und Magersucht gibt (mehr aber nicht). Auch „Banji“ setzte bei seiner Darstellung der Ausplünderung von Ökosystemen ausschließlich auf die Betroffenheitskarte mit einer auch recht vorhersehbaren Handlung. „Smoke“ schließlich dürfte die dünne Story – ein Mann gewöhnt sich unter Gruppendruck das Rauchen an und endet im Grab – sogar die Chance auf eine Medaille verhagelt haben, denn was seine Schöpfer an Gestaltung, szenischen Ideen und Tempo aufzubieten hatten, wäre im Grunde gut für einen der vorderen Plätze gewesen. 

Eine andere Herangehensweise zeigte Horst Orlich, dessen Filme fester Bestandteil des BDFA-Animationsschaffens sind und der auf Wettbewerben ein fast sicherer Medaillenkandidat ist. Das hat sicherlich etwas mit seiner Fähigkeit zu tun, Probleme in grafisch wirksame Symbole zu übersetzen und dafür auch Lösungen anzubieten. Damit meine ich natürlich kein „Happy End“, sondern das „Laß es uns versuchen“, das in Filmen wie „Intensivstation“ (Goldmedaille) mitschwingt.

Nicht immer einer Meinung: Juroren in der Trick-Jury – hier BDFA-Funktionär Bernhard Lindner und Trickfilmer Jörg Herrmann (Foto: VFS/Bräuniger)Zwei gestalterisch herausragende Streifen sollen hier nicht unerwähnt bleiben: „Der Mond“ von Hannes Sternkiker (Silbermedaille) erfreute durch unkonventionell gefertigten Puppen und den gekonnten Einsatz von Farben. In noch höherer Liga spielte „Rosalie“ von Maximilian Zwiener (Studentenfilm, Silbermedaille). Die augenscheinlich von Filmen wie „Corpse Bride“ inspirierte Szenerie ist der Schauplatz einer bewegenden Handlung von Menschen und Blumen, die raffiniert, aber ohne Spielereien ins Bild gesetzt wurde und – wie auch die Jurybesprechung zeigte – viel Interpretationsspielraum bot.

Verfilmte Witze sind ein bewährtes Rezept und waren auch in diesem Jahr zu sehen. Manchmal reicht es auch zu mehr als nur einer Pointe: „Rock on“ von Anne-Katrin Kiewitt und Alice von Gwinner (Studentenfilm, Silbermedaille) zeigt die Gefühle der Waren eines Kaufhauses gegenüber ihren Käufern und läßt dabei vier Minuten lang schmunzeln. An eine klassische Abenteuergeschichte hingegen wagte sich in diesem Jahr nur Patrick Rebholz mit „Das Vermächtnis“. Ich sehe sowas gern, auch wenn der mit Lego-Figuren hergestellte Film des jungen Autors noch Schwächen, besonders in seiner Geschichte, hatte.

Und falls jemand wissen will, welches Trend-Requisit er in seinen nächsten Trickfilm unbedingt einbauen soll: Grabsteine, vorzugsweise mit R.I.P.-Beschriftung, waren dieses Jahr schwer in Mode. Alternativ kann aber auch der gute alte Sarg mit Blumen drauf verwendet werden.

FantEx – Bundesfilmfestival Fantasie- und Experimentalfilm

Fantasie- und Experimentalfilme sind der Inhalt dieses Wettbewerbs, und man kann sich streiten, worin heutzutage das Experimentelle im Film bestehen mag. Vielleicht hat sich schon viel Gewohnheit im Betrachten von Filmen breit gemacht, in denen das Gezeigte nicht sich selbst darstellt, sondern interpretiert werden muß. Manchmal hat man auch den Eindruck, daß für den Bundeswettbewerb Spielfilm als „zu schwierig“ eingeschätzte Stoffe einfach bei der FantEx landen – aber das ist ein allgemeines Gefühl und dem einzelnen Film nicht vorzuwerfen.

Zwei Wettbewerbe – eine Jury: Michael Schwarz (Mainz), Jürgen Richarz (Ennepetal), Juryleiter Bernhard Lindner (Plochingen), Dr. Jörg Herrmann (Kreischa), Marina Stüwe (Gera), Marcus Siebler (Schrobenhausen) (v.l.n.r., Foto: VFS/S. Bräuniger)

Erfreulicherweise hatten die meisten Autoren ihr Werkzeug im Griff. Die dem filmischen Experiment gern nachgesagte Eigenschaft, als Verwertung mißlungener Aufnahmen zu dienen, traf bei kaum einem der 17 Beiträge im Wettbewerbsprogramm zu. Dadurch gewann der Betrachter das Vertrauen, den Filmemachern auch auf ungewohnte Pfade zu folgen. Es ist schon erstaunlich, wie viel dann doch über Bilder und Gleichnisse auf den Menschen, das sich selbst suchende und seinen Platz in der Welt hinterfragende Individuum, zurückführt. Eine Reihe von Streifen dieses Inhalts errang Silber- und Bronzemedaillen; Gold wurde in diesem Jahr bei der FantEx nicht vergeben.

Neben solchen Filmen, die häufig mit Elementen des Spielfilms arbeiten (mag sich die Handlung vielleicht auch nicht auf der Leinwand, sondern im Kopf des Betrachters abspielen), gab es auch weitere Formen: „Stimmensammlung“ von Martin Kochloefl (Silbermedaille) erscheint als recht einfache, fast wie ein Dokumentarfilm wirkende Bild-Ton-Collage – jedenfalls am Anfang. „Fußarbeit – die Hände da unten“ von Theresa Kren (leider ohne Medaille) reflektiert über unsere unteren Extremitäten und ermöglicht stellenweise ein richtig körperliches Fühlen.

Immer beliebter wird die Umsetzung philosophischer Texte und Gedichte. Gerade letzteres scheint jedoch ein sehr schwieriges Vorhaben zu sein, will man nicht die Verse klassischer Dichtkunst rezitieren, sondern eigene schaffen. Genauso wie der frischgebackene Amateurfilmer die Filmsprache erlernen muß, sollte der angehende Lyriker auch das Dichten lernen (hier sei „Wie Gedichte zu machen“ von Peter Hacks empfohlen). Die Bebilderung, die allzuoft nur aus eher zufällig wirkenden Landschaftsmotiven besteht, läuft dann immer noch Gefahr, die Tiefe der Gedanken zu verflachen.

Richtige Fantasie – im Sinne von „spinnen“ – gab's auf der FantEx aber auch: Die AG Video Grundschule Rieden zeigte die Nachrichten von „Übermorgen“ (genauer: aus dem Jahr 2050). Die Kinder wußten sogar, welcher Fußballspieler bis dahin Bundeskanzler gewesen sein wird ...

 

 

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