Bundeswettbewerbe im Dreierpack

Fahrkarten nach Dortmund und WaiblingenMainz, 19.05.2010
Auch wenn ich dieses Jahr nicht auf die DAFF gefahren bin – einen schönen Anteil am Filmkuchen der Saison 2010 habe ich mir trotzdem abgeschnitten, und zwar bei den Bundeswettbewerben. So löste ich eine Fahrkarte nach Dortmund, denn ich war dort als

Juror beim Reisefilm

vorgesehen. Allerdings recht kurzfristig: Die originelle Idee der Veranstalter, eine Jury komplett aus Landesverbandsvorsitzenden zusammenzustellen, war durch die Verhinderung des sächsischen Amtsinhabers gefährdet worden – so klappte es immerhin noch mit vieren und einem Stellvertreter.

Ganz wohl war mir nicht bei der Sache. Das erste Mal als Juror auf Bundesebene und dann auch noch auf einem Wettbewerb, den ich noch nie zuvor besucht hatte? Meine Furcht war unbegründet. Das lag vor allem an den Filmen, die handwerklich und inhaltlich fast durchgängig auf hohem Niveau waren. Vorträge über Grundsätze der Filmgestaltung erübrigten sich somit. Nun sind Reisen ja genauso wie die Filmerei eine Sache, in die man ordentlich Geld stecken kann, doch selbst wenn man das bei beiden tut, kommt nicht zwangsweise ein guter Film heraus. Erfreulicherweise hatten die Autoren der gezeigten Filme das Händchen – oder die Routine – die Betrachter nicht mit "Guck mal, wo wir waren" zu langweilen, sondern Landschaft und Leben der besuchten Gegend aufgeschlossen, aber zurückhaltend zu erkunden und dieses Entdeckergefühl bis zum Zuschauer zu transportieren.

Jurybesprechung beim Reisefilm 2010 in DortmundAllerdings gibt es nicht unbegrenzt viele Möglichkeiten, eine Reise filmisch zu verarbeiten, und damit sind wir bei der Gefahr dieses Genres. Die Filme drohen nämlich, einander sehr ähnlich zu werden. Am besten entkommt man dem durch Konzentration – eine Beschränkung auf wenige Stationen der Reise oder nähere Bekanntschaft mit bestimmten Menschen oder Ersetzen des "vorgelesenen Reiseführers" auf persönliche, in die Landschaft gebettete Gedanken.

Christine und Klaus Wilkering beschränkten sich bei ihrem in Myanmar gedrehten Film "Lichterglanz und Feuerzauber" nicht nur auf das Treiben bei einem Heißluftballonwettbewerb, sondern begleiteten auch noch eine der teilnehmenden Gruppen beim Bau ihrer Flugkonstruktion. Dadurch ist das Ganze von Anfang bis zum hoch aufsteigenden Höhepunkt spannend. Gold für diesen kaum besser zu machenden Streifen.

Ein paar Probleme hatte ich mit "Briefe aus Havanna" – warum kommt eigentlich kein Film über Kuba ohne Bilder von bröckelnden Fassaden und uralten Autos aus, während das bei anderen Ländern mit vergleichbarer Geschichte und wirtschaftlicher Lage niemanden interessiert? Auch dieser im Stil einer Reisekorrespondenz gehaltene Film und mit einer Silbermedaille dekorierte Streifen entging dem Klischee nicht ganz, bemühte sich sonst aber erfreulicherweise um belehrungsarme Beobachtungen.

Eher als Reportage könnte man "Das Gold des Teufels" betrachten. Uli T. Radermacher beobachtete hier aus nicht ungefährlicher nächster Nähe den Abbau von Schwefel in einem Vulkan (Gold). Leider nur Bronze für "Matter-Manie" (Hans-Werner Kreidner): Die Totalvermarktung touristischer Sehenswürdigkeiten ist ein naheliegendes und lohnendes Filmthema, aber nur allzuleicht sieht man den Zeigefinger oder der Filmautor schwimmt fröhlich in der massentouristischen Welle mit, die er dann später ironisch kommentiert. Diese Gratwanderung war hier gelungen. Ein gutes Beispiel für die persönliche Herangehensweise an das Thema der Reise brachte Michaela Pfeiffer mit "Kailash" auf die Leinwand (Gold, Publikumspreis), während "Im Würgegriff der Natur" (Gold) das Motiv der überwurzelten Tempelbauten des Angkor Wat in Kambodscha aufgriff – zum gleichen Thema gab es übrigens noch zwei weitere Filme, die den Gegenstand aber alle von völlig verschiedenen Seiten behandelten. "Der Weg nach Khara Koto" (Gold) führte uns auf Kamelrücken durch die Wüste Gobi, wobei der Film den Zuschauer konsequent in die Lage des Teilnehmers versetzte und mit ihm die Ungewißheit über Wetter und Wasservorräte teilte.

Wer sich die Wüstenexpedition in Afrika oder die komplette Durchquerung des indischen Subkontinents nicht leisten kann oder nicht zutraut, hat trotzdem gute Chancen auf diesem Wettbewerb: Deutschland und Europa waren nur bei wenigen Autoren Thema...

Natürlich gibt es auch beim Filmklub Dortmund Berichte und Fotos vom Reisefilmfestival.

Bereits eine Woche vorher wählte ich den Zug nach nach Stuttgart, um zur

FANTEX in Waiblingen

zu gelangen. Vor allem interessierten mich die Animationsfilme, und das waren recht viele in diesem Jahr. Ich beginne mal mit meinem Favoriten, über den sich auch die Altmeister Lotte Reiniger und Bruno J. Böttge sicherlich gefreut hätten: Ein Sihouettenfilm in gekonnter Verbindung von klassischer Gestaltung und Comuteranimation. "Patrouille" gefiel auch durch die Erzählweise seiner klassisch aufgebauten Geschichte und errang verdient Gold.

Wenn zwei Hamster "Die neue Waschmaschine" entdecken, geht das für die beiden bestimmt nicht ohne Überraschungen ab. Erfreulicherweise gab es diese Überraschungen auch für die Zuschauer in dieser populär gestalteten und erzählten Computeranimation, denn die Gags waren frisch und das Zusehen brachte viel Spaß (Gold). Ebenfalls höchste Wertung für Stammautor Horst Orlich, der in "Gier" ein aktuelles Thema grafisch umsetzte.

Die Beschäftigung mit politischen Themen birgt immer die Gefahr mit sich, daß der Film von einem Teil des Publikums mit anderen politischen Ansichten als der Autor abgelehnt wird. Das Kunststück besteht nun darin, es trotzdem hinter die Barriere der verschränkten Arme zu schaffen. Dazu sollte das Anliegen nicht zu aufdringlich an den Zuschauer heranmissioniert werden, und auch die Darstellung aller Probleme mit Politikern als Witzfiguren greift zu kurz in einer Zeit, in der jeder Radiosender Angie und Guido als 3-Minuten-Comedy im Programm hat. Leider tat "MoneyArctica" genau das, und trotz der originellen Idee, Politiker in Pinguine mit Pinguinproblemen auf einer Pinguininsel umzuarbeiten, dürfte der Film nur bei Leuten Anklang finden, die sich auch schon vorher für das Thema Klimawandel und Geld interessiert hatten.

Im Mitgliederbereich (VFS-BDFA-Report 03/2010) gibt es einen weiteren Bericht von diesem Festival.

Das dritte Festival war bedeutend einfacher zu erreichen: Wiesbaden, wo das

BFF Spielfilm

ausgerichtet wurde, ist die Landeshauptstadt direkt neben der anderen Landeshauptstadt Mainz, wo ich derzeit wohne. Das Programm war durchaus abwechslungsreich, aber ich bin nicht ganz zufrieden. Ich hatte nämlich den Eindruck, daß die Jury bei der Preisvergabe auf die filmhandwerklichen Mittel bedeutend mehr Wert legte als auf die erzählten Geschichten.

Paradebeispiel ist auch gleich der strahlende Sieger dieses Wettbewerbs. "Des Teufels Nachkommen" ist ein Gagfilm, der beim überwiegenden Teil des Publikums prima ankam. "Zu einem Film, bei dem es Szenenapplaus gibt, muß man eigentlich nichts weiter sagen", hieß es dazu von der Jury. Doch, sollte man. Zum Beispiel, daß jede Szene des Filmes dermaßen penetrant auf den Lacher zugeschnitten war, daß eigentlich klar war, was passieren muß. Die Kalauer waren dann auch eher von der mittelprächtigen Sorte. Nichts, was hängenblieb.

Auch das Bronze-Potential von "Ein perfekter Tag" blieb mir verschlossen. Abgegriffene Strickmuster und aufgeblähte Story eines Zerwürfnisses bei einer Feier sorgten für sich endlos hinziehende 19 Minuten.

Erschreckend dagegen das Abschneiden eines wirklich bewegenden Films wie "Liebe 2009" - hier war Bronze deutlich zu wenig (aber wenigstens kam der Film auf die DAFF). Es geht um Liebe, die eigentlich keine ist, um Menschen, deren Wege sich überschneiden und die sich ganz anders verhalten, als man erwartet.

Die Beiträge aus Sachsen gingen in Wiesbaden klar unter. "Veränderung" wurden die zweifellos vorhandenen handwerklichen Mängel erwartungsgemäß deutlich angekreidet. Leider hatte jedoch auch das Potential der Geschichte die Jury nicht erreicht. Noch ärgerlicher war, daß "Feldpost" zwar positive Worte, aber keine hohe Medaille erringen konnte.

Einen weiteren Bericht vom Spielfilmfestival gibt es auch im BDFA-Report des VFS (Mitgliederbereich), wie auch mitsamt Ergebnissen auf der Festivalseite.

Sebastian Bräuniger